Leitfaden für Priester zur Anleitung der Laien in der
Gabe des Lebens im Göttlichen Willen
(auch für Laien geeignet)
Die folgende Anleitung ist eine Zusammenschau der approbierten Dissertation
an der päpstlichen Universität Gregoriana Rom, die durch den Hl. Stuhl
autorisiert wurde, und das Siegel der kirchlichen Bestätigung trägt.
Pater Dr. Joseph L. Iannuzzi, STD, Ph.D. OSJ
Titel der Dissertation:
„Die Gabe des Lebens im Göttlichen Willen in den Schriften von Luisa Piccareta - eine Studie zu den
frühen ökumenischen Konzilien, Patristik, Scholastik und der zeitgenössischen Theologie“
Orginaltitel
“The Gift of Living in the Divine Will in the Writings of Luisa Piccarreta – an inquiry into the
early ecumenical councils, and patristic, scholastic and contemporary theology.”
Auszug Leitfaden
1. Die öffentliche Offenbarung und
die Privatoffenbarung
Der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt: ,, Es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der glorreichen Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus". Obwohl die Offenbarung abgeschlossen ist, ist ihr Inhalt nicht vollständig ausgeschöpft; es bleibt Sache des christlichen Glaubens, im Lauf der Jahrhunderte nach und nach ihre ganze Tragweite zu erfassen." (KKK 66)
In diesem Artikel entdeckt man die progressive Entfaltung der öffentlichen Offenbarung. Wenn dieser Artikel sich auf der einen Seite darauf bezieht, dass Jesus uns alles offenbart hat, was wir für die Erlösung brauchen und keine neue "öffentliche" Offenbarung (bzgl. Glaubensgut) zu erwarten ist, bekräftigt er auf der anderen Seite jedoch, dass uns nicht alles in der öffentlichen Offenbarung Christi ausdrücklich offenbart wurde! Was Jesu unausgesprochene Lehren betrifft, erinnere ich an die Worte Jesu an seine Jünger, bevor er diese Welt verließ: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen.“ (Joh 16;12,13a)
Die kirchlichen Dokumente der letzten 2000 Jahre bezeugen die anhaltende fortschreitende Entfaltung der öffentlichen Offenbarung, da sie nie sagen, die Offenbarung sei mit Christus beendet, sondern vielmehr, dass mit Christus die öffentlichen Offenbarung abgeschlossen ist. Leider ist die Verwendung des Wortes "Ende" im 19. Jahrhundert in der Tat ist eine sehr unglückliche Wiedergabe des lateinischen „compleo“, welches die Kirche verwendet, um die öffentliche Offenbarung Christi beschreiben. In der Tat besagt „compleo“ kein "Ende", sondern es bedeutet, dass die Grundlage der Offenbarung in Christus ein für alle Mal festgelegt ist.
Tatsächlich geschieht Offenbarung durch das offizielle Lehramt der Kirche (Magisterium) sowie durch das Amt des Propheten (durch das die Kirche heute private Offenbarungen empfängt), das der Hl. Paulus unmittelbar nach dem Amt des Apostels anführt: „So hat Gott in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt, die andern als Propheten, die dritten als Lehrer; ... "
(1. Kor. 12,28). Dies ist einer der vielen Gründe, warum "private" Offenbarungen in der Kirche – die zwar nicht unbedingt nötig für unser Heil, dennoch wertvoll für unsere Heiligung – heute von Bedeutung sind, denn sie stellen die anhaltende und kontinuierliche Entfaltung von Christi "öffentlicher" Offenbarung dar. Ihre Bedeutung kann man daran ablesen, welche geistlichen Folgen auftreten würden, hätte die Kirche sie ignoriert: Hätte die Kirche die privaten Offenbarungen der Hl. Margareta Maria ignoriert, würden wir heute weder die Verheißungen der Beharrlichkeit bis zum Ende durch die Einhaltung der ersten 9 Freitage eines jeden Monats kennen, noch das Fest des Heiligsten Herzens Jesu; hätte sie die privaten Offenbarungen des Heiligen Faustina ignoriert, hätten wir nicht das Fest der Göttlichen Barmherzigkeit, das einen vollkommenen Nachlass aller Sünden und Sündenstrafen gewährt; hätte sie die privaten Offenbarungen der Dienerin Gottes Luisa ignoriert, hätten wir nicht das größte Gottes an die Kirche, das heißt, das Leben im Göttlichen Willen , welches es der Seele auf der Erde ermöglicht, sich der gleichen inneren Vereinigung mit Gottes Willen zu erfreuen , wie es die Heiligen im Himmel tun.
Zusammenfassend kann man sagen: während sich die "öffentliche" Offenbarung auf die Zeit der Kirche bezieht, in der Christus die Frohbotschaft des Heils verkündete, auf die das schriftliche Zeugnis der Apostel gründete und die für immer festgelegt und in der Heiligen Schrift bezeugt ist, erklären "private" Offenbarungen die öffentlichen Offenbarung mit einer neuen Botschaft Christi an die Kirche von heute, eine Botschaft, die in der Tradition verwurzelt ist.
Die ausgewiesenen Theologen Josef Kardinal Ratzinger, Urs von Balthasar, René Laurentin und Karl Rahner sind sich einig, dass Offenbarung "nie endet", und dass mit Christus und den Aposteln die Offenbarung als solche "wesentlich" abgeschlossen und normativ durch die Apostel in Form der „Schrift“ überliefert ist. Da es jedoch im Verlauf der Jahrhunderte neue Zeiten und Umstände gibt und Gott sich weiterhin seiner Kirche in jedem Zeitalter offenbart, erfordert Offenbarung, die wesentlich mit Christus erfüllt ist, eine neue "Form", und diese „Form“ ist oft das schriftliche Zeugnis vieler heutiger Propheten, wie Luisa.
2. Wer ist Luisa Piccareta?
2.1 Ihr Leben
23. April 1865: Luisas Geburt und Taufe an einem „Weißen Sonntag“ (auf den Tag genau 130 Jahre später führt Papst Johannes Paul II. diesen Tag als «Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit» ein.
23. April 1874: Im Alter von 9 Jahren an einem Sonntag empfängt Luisa ihre erste Kommunion und Firmung «in Albis». Sie fängt an, die Stimme Jesu zu hören.
Im Jahr 1878: Im Alter von 13 Jahren hat Luisa ihre erste Vision von Jesus, wie er das Kreuz trägt und sie bittet, «Seele, hilf mir»!
Im Jahr 1881: Im Alter von 16 Jahren willigt Luisa ein, Opferseele zu sein und ist von jetzt an mit Unterbrechungen ans Bett gefesselt.
Im Jahr 1882: Im Alter von 17 Jahren verfasst Luisa die Weihnachtsnovene, die sie für den Rest ihres Lebens jedes Jahr halten wird. November 1887: Im Alter von 22 Jahren ist Luisa endgültig ans Bett gefesselt.
16. Oktober 1888: Im Alter von 23 Jahren erfährt Luisa ihre erste geistliche Hochzeit auf der Erde.
7. September 1889: Im Alter von 24 Jahren erfährt Luisa ihre zweite geistliche Hochzeit im Himmel, das heißt, sie erhält die Gabe des Lebens im Göttlichen Willen, indem Jesus von Luisas Herz Besitz ergreift. Einige Tage später bestätigt die heilige Dreifaltigkeit Luisa und errichtet in ihrem Herzen ihr göttliches Einwohnen.
Undatierter Eintrag Band 1: Luisa erfährt ihr dritte geistliche Hochzeit, die Kreuzesvermählung.
Undatierter Eintrag, Band 1: Luisa empfängt die unsichtbaren Stigmata.
28. Februar 1899: Im Alter von 33 Jahren beginnt Luisa im Gehorsam gegenüber ihrem Beichtvater zu schreiben.
16. November 1900: Im Alter von 35 Jahren erfährt Luisa ihre vierte Hochzeit, bei der sie das Herz Jesu in Besitz nimmt; sie erhält dreimal den "Göttlichen Atemhauch" und macht sich auf, nur noch im Göttlichen Willen zu leben und den Göttlichen Willen ganz und gar zu besitzen. 12. November 1925: Papst Pius XI führt das Fest „Christkönig“ ein.
7. Oktober 1928: Im Alter von 63 Jahren zieht Luisa in das Waisenhaus der „Schwestern vom Göttlichen Eifer“ in Corato.
31. August 1938: Drei von Luisas Schriften werden auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt, neben jene von Faustina Kowalska und Antonio Rosmini – die schließlich alle von der Kirche rehabilitiert wurden.
7. Oktober 1938: Im Alter von 73 Jahren verlässt Luisa das Waisenhaus der „Schwestern vom Göttlichen Eifer“. Father Benedetto Calvi verlegt Luisa in die Via Magdalena, wo sie ihre letzten Lebensjahre verbringen sollte.
28. Dezember 1938: Luisa schreibt ihren letzten Band (den 36. Band).
4. März 1947: Nach einem kurzen Anfall von Lungenentzündung - der einzigen diagnostizierbaren Erkrankung ihres Lebens – stirbt Luisa.
20. November 1994: Eröffnung des Seligsprechungs-prozess Luisas, sie erhält den Titel Dienerin Gottes.
29. Oktober 2005: Diözesaner Abschluss des Seligsprechungsprozess Luisas.
2.2 Lehre
2.2.1 Die drei Fiats der Schöpfung,
Erlösung und Heiligung.
Wie die drei göttlichen Personen sind unterscheidbar, aber untrennbar, so erklären viele Theologen, darunter Augustinus, dass Gottes „ad extra“ Werke je einer der Personen zugeordnet werden können. In Luisas Text wird Gott dem Vater das Werk der Schöpfung zugeordnet, Gott dem Sohn das Werk der Erlösung und Gott dem Heiligen Geist das Werk der Heiligung.
2.2.2 Die drei Modi des Betens und des Handelns
Theologen der Mystik beziehen sich auf die drei Stufen der mystischen Vereinigung mit Gott nach Johannes vom Kreuz, d.h. Läuterung, Erleuchtung und Vereinigung, und die sieben inneren Wohnungen der Teresa von Avila, und zeigen zwei Modi des Betens und Handelns auf: das Beten in menschlicher Weise (modo humano) und das Beten in göttlicher Weise (modo divino). Die menschliche Weise entspricht dem Stadium der Läuterung bei Johannes und den ersten drei Wohnungen bei Teresa. Der göttliche Modus entspricht bei Johannes den Phasen der Erleuchtung und Vereinigung und bei Teresa den Wohnungen vier bis sieben. Bevor die Gabe des Lebens im Göttlichen Willen von Gott in der Kirche aktualisiert wurde, fand zu keiner Zeit ein "ewiger Modus" Erwähnung, das heißt, bis Luisas anerkannte Schriften zeigten, dass das Gabe des Lebens im göttlichen Willen dem Menschen in Gottes ewigen Modus einläßt, und so Gott die Gebete und Akte der Seelen in sich aufnimmt und zu einer andauernden Teilhabe an dem "einen ewigen Akt" der Dreifaltigkeit (ad intra operatio) erhöht. Weil Gottes dreieiniger Akt ewig ist und damit Raum und Zeit transzendiert, verleiht die Erhöhung der Akte der Seele ihr die Macht, Zeit und Raum zu überschreiten und gleichzeitig auf alle Geschöpfe der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einzuwirken, seien sie vernunftbegabt oder vernunftlos. Auf diese Weise wird der Seele die Gabe wiederhergestellt, die Jesus und Maria, aber auch Adam und Eva besaßen, und diese werden so wieder in ihr Amt eingesetzt, Krone der ganzen Schöpfung zu sein.
So wie in Daniel, Kapitel 3,57ff und Davids Psalm 148, die Gebete im göttlichen Modus auf die Geschöpfe ihrer Zeit einwirkten, bieten Luisas "Runden" in der Schöpfung eine Methode des Betens im ewigen Modus, die sich auf die Geschöpfe aller Zeiten auswirken.
2.2.3. Eine neue Heiligkeit
Während Jesus Luisa offenbart, dass die Heiligkeit im ewigen Modus eine neue Heiligkeit ist, die alle anderen Formen der Heiligkeit übertrifft, erfordert diese Zusicherung nähere Bestimmung: Das mystische Leben ist in vielerlei Hinsicht ein Phänomen subjektiver Erfahrung, und es liegt oft außerhalb unseres Verstehens, objektiv die Größe der Heiligkeit einer Person zu bestimmen, noch weniger eine Form der Heiligkeit mit einer anderen zu vergleichen. In der Tat versichert Jesus Luisa, dass die Gabe des Lebens in seinem göttlichen Willen nicht so sehr ein Ruf zur persönlichen Heiligkeit ist, als vielmehr ein Ruf zur Verwirklichung seines Reiches, d.h. alle Dinge zu heiligen. Während es nicht sinnvoll ist, Vergleiche zwischen dieser oder jener Heiligkeit zu anzustellen, kann man doch sicher geltend machen, dass eine Form der Heiligkeit größer sein kann als andere, wenn ihre Größe durch die innewohnende Natur der Gabe bestimmt wird und nicht durch die gläubige Entsprechung des Empfängers, während dessen Entsprechung auch nur Gott allein kennt.
2.2.4 Der Unterschied zwischen "den Göttlichen Willen tun“ und „Leben im Göttlichen Willen“
Bei der Betrachtung der göttlichen und ewigen Modi des Betens und Handelns, macht Jesus Luisa gegenüber deutlich, dass die Ausdrucksweise, „den göttlichen Willen tun" den ersteren Modus kennzeichnet und der Begriff "Leben im göttlichen Willen“ den letzteren. Er bekräftigt, dass "Leben im Göttlichen Willen" das Modell ist, welches dem Leben der Heiligen im Himmel am nächsten kommt und es von "den göttlichen Willen tun" so weit entfernt ist, wie der Himmel von der Erde entfernt ist.
Die folgende Analogie zeigt diese zwei Modi: Der göttliche Modus des Betens lässt sich so beschreiben: Eine heiligmäßige Person auf Erden will für die verstorbenen Seelen auf einem Friedhof beten. Um dies zu tun, muss sie von einem Grabstein zum anderen gehen, um zu sehen, wer es ist, für den sie betet und dann betet sie für diese Seele, und weiter für jede einzelne Seele.
Im ewigen Modus beten bedeutet, dass jemand, der für die Seelen auf dem Friedhof beten will, auf eine Ebene erhoben wird und alle Seelen in der Vogelperspektive erblickt. Leben im göttlichen Willen besteht darin, das "eine ewige Wirken" Gottes in unsere endlichen Gebete und Akte einzuladen, der ihnen eine ewige Qualität verleiht, wodurch sie sich auf alle Seelen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig auswirken.